Offener Brief an Herrn OB Lang und den Gemeinderat der Stadt Wangen


Unser offener Brief vom 27.10.2020:

Sehr geehrter Herr OB Lang, sehr geehrte Gemeinderätinnen und Gemeinderäte,

nicht nur wir Mitglieder der BI-Humbrechts-Pro Natur, sondern auch immer mehr Bürger der Stadt Wangen beklagen die mangelnde Transparenz und Informationspolitik, wenn es um die geplanten Wohnmobilstellplätze in Humbrechts geht.

Am 02.November sollen der Stadt die genauen Planungen vorgelegt werden. Laut SZ-Bericht vom 07.10.2020 will die Verwaltung mit einem Vorschlag von max. 20 Stellplätzen an den Gemeinderat gehen.
Die drängende Frage für viele Bürger ist aber: Darf überhaupt gebaut werden? Bevor so ein Projekt überhaupt konkret geplant werden kann, sind im Vorfeld diese Fragen zu klären. Was bisher der Öffentlichkeit bekannt ist, dürfte für die Stadt ausreichend sein, um die rechtliche Machbarkeit zu beurteilen.

Wir von der BI sind der Meinung, dass die Machbarkeit aufgrund bestehender Gesetze gar nicht gegeben ist, auch nicht für 20 Stellplätze.

In Zeiten von Corona sind Bürgerversammlungen schwer durchzuführen, deshalb treten wir mit einem offenen Brief an die Stadt heran (s. auch www.humbrechts-pro- natur.de). Dieses Thema ist bei vielen Wangener Bürgern von großem Interesse.

Wir bitten sie deshalb unsere Fragen zu beantworten, damit mehr Klarheit in dieser Sache herrscht.

  1. Die Verwaltung plant mit max. 20 Wohnmobilstellplätzen. Momentan ist noch unklar, was die Betreiberfamilie plant. Vorausgesetzt die Rechtslage lässt eine solche Bebauung zu.
    Kann die Anzahl baurechtlich dauerhaft auf 20 Stellplätze gedeckelt werden? Kann eine Fläche(nutzung) baurechtlich dauerhaft begrenzt werden?
    Kann ein erneuter Bauantrag für eine Erweiterung gestellt werden? Wenn ja, nach welcher Wartezeit?
  2. Die CPlVO des Wirtschaftsministeriums Baden-Württemberg schreibt vor:

    § 3, (1) Camping- und Zeltplätze müssen an einer (………) öffentlichen Straße liegen(………). Die Zufahrt muß mindestens 5,5 m breit sein; sie muß auch für Fahrzeuge der Feuerwehr befahrbar sein.
    In der CPIVO gibt es den Begriff „Wohnmobilstellplatz“ nicht sondern nur den Begriff Campingplatz.

    §2 (1) Camping- und Zeltplätze sind Plätze, die zum Aufstellen von mehr als drei Wohnwagen, Zelten oderähnlichen Anlagen zum vorübergehenden Aufenthalt bestimmt sind.
    (2) Als Wohnwagen, Zelte und ähnliche Anlagen gelten nur Wohnfahrzeuge, Wohnanhänger, (…….), die so beschaffen und aufgestellt sind, daß sie jederzeit ortsveränderlich sind.

    Gibt es rechtlich einen Unterschied zwischen den Begriffen Wohnmobilstellplatz und Campingplatz?
    Unter welche Verordnung würde nach Meinung der Stadt der Stellplatz von Humbrechts fallen?
    Gilt die Mindest-Breite der Zufahrtsstraßen für die Stellplätze in Humbrechts nicht?
  3. Nach §53, BauGB, Absatz3, Punkt5, darf ein Bauvorhaben nicht durchgeführt werden, wenn “die natürliche Eigenart der Landschaft und ihr Erholungswert beeinträchtigt oder das Orts- und Landschaftsbild verunstaltet wird”.

    Durch die Wohnmobilstellplätze und den Wohnmobilverkehr auf den engen Zufahrtsstraßen sehen wir eine Gefahr für das Walderholungsgebiet Aussichtsplatt-Hochholz-Schlauchen und die beliebten Ausflugsziele um Humbrechts, Niederwangen, Nieratz und Bürsten und eine Sicherheitsgefährdung der Erholungssuchenden.

    Wie will die Stadt die Funktionsfähigkeit des Naherholungsgebietes und das Allgäuer Landschaftsbild bewahren, damit Ruhe und Erholung weiterhin möglich sind?
  1. §5, Absatz 4 StVo besagt:„Beim Überholen mit Kraftfahrzeugen von zu Fuß Gehenden, Rad Fahrenden und Elektrokleinstfahrzeug Führenden beträgt der ausreichende Seitenabstand innerorts mindestens 1,5 m und außerorts mindestens 2 m.“ Dieser Abstand kann bei den Zufahrtsstraßen (mit einer Breite von teilweise 3,20 m) von den Wohnmobilen meist nicht eingehalten werden.
    2013 stellten Eltern aus den Weilern um Niederwangen den Antrag, der Schulbus möge doch die Weiler anfahren. Diese Bitte wurde abgelehnt mit dem Argument der Schulbus sei zu breit für die engen Straßen.

    Wie beurteilt die Stadt die Verkehrsrechtliche Situation? Dürfen die Wohnmobile dort überhaupt fahren?
    Wie ist die Ausweich- und Überholregelung?

  2. Trägt der Steuerzahler die Kosten für Flur-Straßen und Grundstücksschäden, die durch den zusätzlichen Wohnmobilverkehr schneller kommen werden?

  3. In Niederwangen, in der Wittwais und in der Berger Höhe sind die Zufahrtswege gleichzeitig Schul- und Kindergartenwege. Sie sind durch parkende Autos am Straßenrand und sogenannte Elterntaxis sowieso schon unübersichtlich und gefährlich. In der Berger-Höhe liegt das Seniorenheim St. Vinzenz direkt an der Humbrechtser Straße.

    Eine Zufahrtsstraße (Boelkestraße) liegt direkt an der Berger-Höhe- Grundschule (ca. 300 Schulkinder). Außerdem wird die Boelkestraße von den meisten Bewohnern der Wohngebiete Wittwais, Haid und Berger Höhe als „Tor“ zur Innenstadt genutzt. Es ist der Weg, um zu allen weiterführenden Schulen zu gelangen, ob mit dem Fahrrad oder zu Fuß. Wir sehen die Sicherheit von vielen 100 Schulkindern und Fahrradfahrern in Gefahr.

    Wie will die Stadt die Sicherheit von Kindern, Senioren (St. Vinzenz), Wanderern, Radlern und Erholungssuchenden sicherstellen?
    Wie wird die Sicherheit der Schul- und Kindergartenwege in Niederwangen, der Berger-Höhe und Wittwais gewährleistet?
  1. Alle Zufahrtsstraßen nach Humbrechts sind bereits jetzt zu stark befahren. Durch Pendler, „Schleichwegenutzer“ und „Ampel- und Stauumfahrer“. Die Anwohner leiden unter dem Verkehr und den damit verbundenen Gefahren. So wurden z. B. bei einer offiziellen Verkehrszählung 2017 im kleinen Weiler Bürsten bis zu über 500 Fahrzeuge am Tag gezählt. Das bedeutet alle zwei Minuten ein Fahrzeug.
    Im Ebnet wird der bestehende Wohnmobilstellplatz rückgebaut, weil den Anwohner die dadurch entstehenden Belastungen nicht zugemutet werden können.

    Wieso macht die Stadt jetzt denselben Fehler bei den Anwohnern von Niederwangen, Nieratz, Bürsten, Berger Höhe, Humbrechts und Wittwais?
  1. Die Stadt hat „coronabedingt“ 20 temporär erlaubte Wohnmobilstellplätze als Ausnahme genehmigt. Vor allem an den Wochenenden wurde diese Zahl oft deutlich überschritten, deshalb parkten die PKWs teils an den Rändern der Zufahrtsstraßen. Eine Zufahrt von Feuerwehr oder Krankenwagen wird dadurch unmöglich.Wieso wird/wurde diese Überschreitung toleriert? Wie sieht eine Überprüfung in der Zukunft aus?

Für die BI-Humbrechts-Pro Natur
U. Schleifer, M. Weiß, J. Welter, Dres. I. und G. de Bary, K. Miller, M. Hasel, M. Hasel, I. Kempter, M. Kempter, J. Gut, F. Weber, C. Arnold, Dr. G. Staudacher


Vielen Dank für die Antwort von Herrn OB Lang:

Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Frau Schleifer, sehr geehrte Frau Weiß,

Ihr Brief vom 27. Oktober 2020 wurde mir in der Gemeinderatssitzung am 2. November 2020 übergeben. Auf Ihr Schreiben und Ihre Fragen hier nun einige Antworten: 

Sie beklagen die mangelnde Transparenz und Informationspolitik der Stadt in dieser Angelegenheit: 

Bisher gibt es noch kein offizielles Verfahren für einen neuen Wohnmobilstellplatz im Bereich Humbrechts. Daher gab es auch noch keine offizielle städtische Kommunikation. Es gab über den Sommer lediglich Gesprächsangebote an die Nachbarn und Betroffene aus dem Bereich Humbrechts und Niederwangen. Diese Vorgespräche sind bei einem streitigen Vorhaben durchaus üblich. Über die Ergebnisse dieser Gespräche wurde öffentlich berichtet. Einen anderen Sachstand gibt es bis heute nicht! Wir haben auch bei mehreren Gelegenheiten im Gemeinderat und in der städtischen Einwohnerversammlung erst vor wenigen Wochen gestellte Fragen zu diesem Thema beantwortet. Selbstverständlich werden offizielle Angebote zur Diskussion mit der interessierten Öffentlichkeit folgen, sofern das Verfahren durch städtische Beschlüsse gestartet wird. 

Zur Machbarkeit eines Wohnmobilstellplatzes in Humbrechts/Niederwamgen:

Wir werden dem Gemeinderat voraussichtlich noch im November 2020 einen Vorschlag für einen Bebauungsplan für den dortigen Bereich vorlegen. Die Stadt hat grundsätzlich für alle Flächen unserer Gemarkung die so genannte „Planungshoheit“. Gegenstand des möglichen Verfahrens ist ein Wohnmobilstellplatz für um die 20- 25 Fahrzeuge, zusätzliche Busparkplätze und ergänzende Infrastruktur. Nach einem grundsätzlichen Beschluss zur Aufstellung eines Bebauungsplanes (Aufstellungsbeschluss) werden erst die eigentlichen Inhalte dieses Bebauungsplanes (genaue Flächenfestlegung, Zufahrten, Stellflächen, Infrastruktur usw.) erarbeitet. Die rechtlich relevanten Themen werden dabei geprüft. Es wird also im Rahmen dieses Verfahrens geklärt, ob ein Wohnmobilstellplatz im dortigen Bereich möglich und machbar (Naturschutz, Landschaftsbild, Verkehr usw.)  ist. Dazu ist als erster Schritt der kommunale Wille im Gemeinderat zu klären. 

Wie verbindlich ist ein Bebauungsplan für die Zukunft: 

In einem Bebauungsplan kann die nutzbare Fläche und die Ausnutzung des Geländes geregelt werden. Der Bebauungsplan ist die Grundlage für eine dann mögliche Baugenehmigung. Eine spätere Erweiterung des Geländes über das Flächenangebot hinaus ist nur im Rahmen eines erneuten rechtlichen Verfahrens möglich. Wegen der Lage im Außenbereich bräuchte man nach unserer Auffassung für eine nicht völlig unerhebliche Vergrößerung dann wieder einen Bebauungsplan. Ein „einfacher“ Bauantrag würde für eine Erweiterung in einem solchen Fall nicht ausreichen. 

Ein Wohnmobilstellplatz ist im rechtlichen Sinne etwas anderes wie ein Campingplatz. Die rechtlich relevanten Vorschriften ergeben sich vor allem aus dem Baugesetzbuch, der Landesbauordnung Baden-Württemberg und anderen öffentlich-rechtlichen Vorschriften. 

Sie zitieren § 53 BauGB:

Diese Vorschrift ist nicht relevant. Sie meinen wahrscheinlich § 35 BauGB. § 35 BauGB regelt die Bebaubarkeit von Grundstücken im Außenbereich. Grundsätzlich sind im Außenbereich nur privilegierte Vorhaben (vor allem landwirtschaftliche Betriebe) zulässig. § 35 BauGB findet aber keine Anwendung, sofern für eine Fläche ein gültiger Bebauungsplan als Satzung vorliegt. 

Sie sprechen die Verkehrssituation an. Dazu folgende Aussagen: 

Der Weiler Humbrechts ist durch mehrere Zufahrtsstraßen erschlossen. Zufahrtsstraßen gibt es von  Niederwangen aus, über den Humbrechtser Wald, Nieratz und Bürsten. Auf diesen Straßen fahren schon bisher große und schwere Fahrzeuge. Autos, LKWs, Busse, landwirtschaftliche Fahrzeuge. Im Verfahren ist zu klären, wie sich zusätzlicher Verkehr durch Wohnmobile hier auswirkt. Alle von Ihnen genannten Themen und Sicherheitsfragen sind dabei zu überprüfen. Straßen sind dem Verkehr gewidmet und dürfen von Verkehrsteilnehmern genutzt werden, sofern es keine einschränkenden Vorschriften und Regeln gibt. Der Unterhalt von Straßen ist für Gemeindestraßen auch finanziell Sache der Kommune. Unser Straßennetz leidet in der Tat durch schwere und breite Fahrzeuge aller Art. 

Verkehrsbelastungen kennen wir aus vielen Gebieten unserer Stadt. Vor allem entlang der Bundes- und Landesstraßen leben Menschen, die unter den großen Verkehrsmengen und Lärm leiden. Wir verlagern den Stellplatz im Bereich des Ebnets übrigens aus mehren Gründen. Es geht hier nicht nur um nachbarliche Belange. Der Platz ist inzwischen 20 Jahre alt. Sie können sich aber darauf verlassen, dass wir die nachbarlichen Belange im Bereich Humbrechts in gleicher Weise prüfen werden.

Wir hatten in diesem Sommer wegen Corona- Reisebeschränkungen einen intensiven inländischen Tourismus in Deutschland. Davon hat unsere Region wirtschaftlich profitiert. Viele Gäste kamen nach Wangen auch mit dem Wohnmobil. Wir haben daher Möglichkeiten zur Übernachtung auf vielen Stellplätzen mit dem Mittel der Duldung geschaffen. Wie dies im nächsten Jahr weiter geht, das wissen wir noch nicht. Wir hoffen, dass wir gerechte und abgewogene Entscheidungen finden werden. Und so werden wir auch wieder auf Sie zukommen, um die von Ihnen angesprochenen Belange sachgerecht zu behandeln. 

Mit freundlichen Grüßen

Michael Lang
Oberbürgermeister